Page 2 - Ferienbrief_2018
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Die Welt fühlen
       Urlaub machen wie Gott am siebten Schöpfungstag


       Die Sommerferien stehen vor der Tür, vielleicht auch Ihr Urlaub. Was haben
       Sie  vor?  Wandern,  Städte  besichtigen,  Schwimmen,  Klettern,  Tauchen,
       Segeln,  Golf  spielen,  Töpfern…  Einer  Umfrage  zufolge  stürzt  sich  jeder

       zweite  in  einen  so  genannten  Aktivurlaub.  Und  spätestens  beim
       Durchblättern von Reiseprospekten  wird klar: die aktivste Zeit des Jahres
       beginnt genau jetzt, am ersten Urlaubstag. Wenn diese Aktivurlauber nach

       Hause kommen – so die Verheißungen der Reisebranche -, seien sie „nicht
       ausgepowert“, sondern fit für neue Herausforderungen. Die „aktive Erholung“
       soll wesentlich länger anhalten als bei Urlaubern, die einfach nichts tun.


       Nichts tun?
       Aber gibt es das überhaupt noch? Nichts tun? Wenn schon die einzige dafür
       doch eigentlich prädestinierte Zeit des Jahres sich längst verwandelt hat in

       einen unüberschaubaren  Dschungel von Aktivitäten? Nicht nur im Urlaub,
       noch viel mehr im Alltag scheint das Nichtstun verschwunden zu sein. Kaum
       vorstellbar,  dass  bei  einer  Terminabsprache  einer  der  Beteiligten  sagt,  er

       könne an dem Tag nicht, und zwar deshalb, weil er da einfach mal nichts tun
       wolle.  Das  Nichtstun  steht  in  Verruf.  Wer  nichts  zu  tun  hat,  ist  ganz
       offensichtlich  nicht  wichtig,  hat  keinen  Anteil  am  pulsierenden  Leben.

       Dolcefarniente  –  dieses  italienische  Wort  hatte  einst  einen  süßen
       Beigeschmack. Heute aber wird das Nichtstun in der Regel nicht mehr als
       genussreich empfunden.


       Im Ruhen vollenden
       Doch  könnte  es  sein,  dass  wir  den  Wert  des  Faulenzens  und  des
       Herumgammelns  maßlos  unterschätzen?  Schließlich  gibt  es  eine

       allerhöchste Legitimation für den Müßiggang. Er wird an höchst prominenter
       Stelle, nämlich gleich am Anfang der Bibel, sogar für heilig erklärt. Zunächst
       wird jedoch richtig viel gearbeitet, es wird geschöpft und erschaffen, was das
       Zeug hält. Sechs Tage lang zeigt sich Gott als ein absoluter Macher. Was

       könnte dynamischer und kreativer sein als die Erschaffung der Welt? Gott ist
       Schöpfergott durch und durch. – Wäre da nicht, ja, wäre da nicht der siebte
       Schöpfungstag.

       Im Buch Genesis heißt es: „Am siebten Tag vollendete Gott das Werk, das
       er geschaffen hatte, und er ruhte am siebten Tag, nachdem er sein ganzes
       Werk vollbracht hatte. Und Gott segnete den siebten Tag und erklärte ihn für

       heilig.“ Gott segnet und heiligt also gerade diesen Tag, an dem  er selbst
       faulenzt und sich dem süßen Nichtstun ohne Wenn und Aber hingibt. Nicht
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