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Das ist Leben


       Gedanken zu den Kartagen

       Im Leben gibt es den Palmsonntag.

       Den Tag der Freude, des Jubels, der Zustimmung. Wir spüren geliebt oder zumindest
       anerkannt und gewollt zu sein. Unsere Nähe wird gesucht und gefunden. Wir erfahren
       unseren Wert und werden gebraucht. Wir haben Erfolg, sind gesund und glücklich. Aber
       der Palmsonntag führt unweigerlich zu den Kartagen.
       Im Leben gibt es auch den Gründonnerstag.

       Wir  hoffen  auf  das  Gute,  das  Schöne  im  Leben,  werden  aber  oft  enttäuscht,
       missverstanden  und  fühlen  uns  verraten.  Es  gibt  in  unserem  Leben  auch  Angst,
       Krankheit und Todeserfahrung. Menschen, denen wir vertraut haben, Menschen, denen
       wir die Füße gewaschen haben, Menschen, mit denen wir unser Brot geteilt haben,
       wenden sich von uns ab, verraten uns für "ein paar Silberlinge" und treiben uns auf den
       Kreuzweg...

       Im Leben gibt es auch den Karfreitag.

       Wir fühlen uns alleine, verlassen, hintergangen, krank und entblößt.
       Manche waschen sich die Hände in Unschuld. Sie haben nur getan, was von ihnen
       erwartet wird und - wie sollten sie sonst vorwärts kommen?...

       Wir sind auf unsere nackte Existenz zurückgeworfen. Hat alles noch einen Sinn? Wozu
       lebe ich überhaupt? Wie lange soll ich das alles durchstehen? Warum gerade ich? Mein
       Gott, warum hast auch du mich verlassen?

       Jedem Karfreitag folgt der Karsamstag.

       Wir  sind  wie  eingemauert.  "Bin  ich  noch  der  Mensch,  der  ich  einmal  war  -  fröhlich,
       lachend,  bewundert  und  anerkannt  ...  ?",  fragen  wir  uns  voll  Sehnsucht.  Wir  wollen
       wieder  Leben  in  uns  spüren,  neues  Leben,  das  uns  Flügel  verleiht,  um  aus  der
       Grabesstimmung in neue noch unbekannte Weiten zu gelangen. Eine kleine Pflanze,
       die  Hoffnung  heißt,  beginnt  sich  in  uns  zu  regen.  Gibt  es  für  mich  doch  noch  eine
       Zukunft?
       Beginnt ein neuer Ostermorgen?

       Wir  haben  eine  Wegstrecke  durchlebt,  durchlitten,  durchliebt.  Durchkreuzte  Pläne,
       Erwartungen  und  Hoffnungen  wurden  zu  Kreuzungen,  die  überschritten  werden
       mussten, um neue Weiten zu erkennen.

       Wer  in  seinem  Leben  noch  keinen  Karfreitag  erlebt  hat,  weiß  auch  nicht,  was
       Auferstehung heißt: Auferstehung aus den Sorgen und Ängsten des Lebens, welche die
       Sicht auf die Wirklichkeit unseres Seins verstellen. Wer selbst einen Karfreitag durchlebt
       und durchlitten hat, wird auch seine leidenden Mitmenschen besser verstehen und ihnen
       Hoffnung geben. Jesus Christus, wir sind dir auf unseren Kreuzwegen menschlich sehr
       nahe. Wir hoffen und vertrauen, dass du uns auf göttliche Weise nah bist, damit wir jetzt
       und  hier  die  kleinen  Auferstehungen  erleben,  um  dadurch  die  ewige  Auferstehung
       erahnen zu können.


       Text: Christa Carina Kokol; In: Pfarrbriefservice.de
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