Page 8 - Kirchgeldbrief_2018
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Aus den Wurzeln leben
Warum es gut tut, der Verstorbenen zu gedenken
Am 2. November ist Allerseelen, der Tag des Totengedenkens in der katholischen
Kirche. Das Fest entspricht dem Bedürfnis, die Verstorbenen nicht zu vergessen,
sondern sie in das eigene Leben zu integrieren.
Durch Abt Odilo von Cluny wurde Allerseelen im Jahre 998 für alle benediktinischen
Klöster eingeführt. Von dort verbreitete sich das Fest in der ganzen Kirche. Im Mittelalter
verband sich damit auch das Bedürfnis, für die Verstorbenen etwas zu tun, für sie zu
beten oder heilige Messen lesen zu lassen. Das entspricht unserem heutigen Denken
nicht mehr. Wir brauchen nichts für die Verstorbenen zu tun. Wir dürfen darauf
vertrauen, dass sie bei Gott sind. Aber es tut uns gut, der Verstorbenen zu gedenken.
Denn wir verdanken ihnen viel und wollen sie nicht vergessen. Wir leben aus den
Wurzeln der Verstorbenen.
Und so ist es Brauch in der katholischen Kirche, dass am Nachmittag des
Allerheiligenfestes, das einen Tag vor Allerseelen begangen wird und in vielen
Bundesländern Feiertag ist, die sogenannte Gräbersegnung stattfindet. Man
versammelt sich auf dem Friedhof, singt Lieder, spricht Gebete. Der Priester hält eine
Ansprache. Und man segnet die Gräber mit Weihwasser. Dieses Ritual will uns sagen,
dass von den Verstorbenen für uns Segen ausgehen soll.
Rituale helfen, sich mit den Verstorbenen zu versöhnen
Der Segen geht aber nicht durch ein magisches Ritual aus. Vielmehr fordert uns das
Ritual auf, unsere Beziehung zu den Verstorbenen zu klären. Das Weihwasser drückt
aus, dass wir die Wurzeln reinigen müssen, aus denen wir leben. Denn manchmal sind
die Wurzeln getrübt durch Missverständnisse, durch Verletzungen und Kränkungen. Auf
den Friedhof zu gehen, bedeutet daher immer auch, dass wir unsere Beziehungen
klären, dass wir uns versöhnen mit unseren Verstorbenen. Nur dann können wir dankbar
sein für sie. Nur dann werden uns ihre Wurzeln nähren.
Wir sagen von einem Sterbenden, dass er „das Zeitliche segnet“. Das ist ein schönes
Bild. Wir vertrauen darauf, dass der Sterbende durch seinen Tod für uns zum Segen
wird. An Allerseelen erinnern wir uns des Verstorbenen. Er wird für uns zum Segen,
wenn wir uns fragen, was seine Botschaft an uns ist. Was wollte der Verstorbene in
seinem Leben ausdrücken, was wollte er uns vermitteln? Woraus hat er gelebt? Welche
Kraft hat ihm der Glaube gegeben, damit er sein Leben bewältigt? Allerseelen will uns
also einladen, uns mit den Verstorbenen zu beschäftigen, damit sie zum Segen werden
für uns.
Die Gemeinschaft mit den Verstorbenen feiern
Das Fest Allerseelen will uns aber noch etwas anderes sagen: Wir leben hier nicht allein.
Die Verstorbenen sind die Wurzeln, aus denen wir leben. Aber sie begleiten uns auch
auf unserem Weg. Und wir nehmen sie hinein in unsere Gemeinschaft. Unsere
Gemeinschaft besteht nicht nur aus unserer Familie, so wie sie jetzt noch lebt, sondern